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Linkshänder-Kind: Ratgeber für Eltern

Linkshänder bilden mit einem Bevölkerungsanteil von schätzungsweise 10 Prozent eine klare Minderheit in einer Welt voller Rechtshänder. Um Linkshänder bereits im Kindesalter ideal zu fördern und ihren Nachteil auszugleichen, sollte ihre Veranlagung möglichst früh durch entsprechende Tests festgestellt werden.

So können Erziehungsberechtigte und Lehrer die Weichen stellen, um das Kind ideal zu fördern. Erfahren Sie mehr in diesem Beitrag.



Das wichtigste in 30 Sekunden

  • Der Anteil der Linkshänder beträgt schätzungsweise etwa 10 Prozent.
  • Damit sind Linkshänder eine Minderheit in einer für Rechtshänder ausgelegten Welt.
  • Eine Früherkennung bei Kindern ist wichtig.
  • So kann man Linkshänder in der Schulzeit gezielt optimal fördern.
  • Dazu gehört etwa auch die Anschaffung auf Linkshänder ausgelegter Hilfsmittel und Utensilien.
  • Von einer Umschulung, wie sie früher üblich war, ist aus entwicklungspsychologischer und neurologischer Sicht abzuraten.

Alles Wissenswerte zur idealen Förderung bei Linkshändigkeit

Schätzungsweise sind etwa 10 Prozent der Menschen Linkshänder. Um Kinder, deren dominante Hand die linke ist, optimal fördern zu können, ist vor allem eine gute Früherkennung wichtig.


1. Links- oder Rechtshänder: Tests & Erkennung

Die Händigkeit, also die Dominanz einer Hand bei der Ausführung verschiedener Tätigkeiten, bildet sich schon im Kleinkindalter heraus, ist jedoch gar nicht so einfach festzustellen. Man geht mittlerweile auch davon aus, dass die Händigkeit wie so viele neurologische und psychologische Eigenschaften, die man früher für absolut hielt, ein Spektrum ist, sich also die Bevorzugung einer Hand gegenüber der anderen auch je nach Tätigkeit unterscheiden kann.

Es gibt also nicht nur reine Rechtshänder und Linkshänder, sondern auch Beidhänder. Hinzukommt, dass Kinder viele Fertigkeiten durch Abgucken und Nachahmen erlernen und es so bei Kindern, die von Geburt an Linkshänder waren, die aber primär Rechtshänder um sich haben, auch zu einer unbewussten Anpassung kommen kann. Deshalb ist es wichtig, sich bei der wegen der gezielten Förderung durchaus wichtigen Ermittlung der präferierten Hand nicht nur auf einen Test zu verlassen. Aber wie und ab wann sollte man diese Tests durchführen?

Die einfachste Möglichkeit bietet der Klatschtest: Die meisten Kinder (und auch viele Erwachsene) bewegen beim Klatschen nicht beide Hände, sondern halten eine Hand relativ still und bewegen die andere, die dominante, auf diese zu.

Der zweite und schon eindeutigere Test kann auch problemlos von jedem zu Hause durchgeführt werden: der Greiftest. Hierzu hält man dem Kind wiederholt einen Gegenstand hin und guckt, mit welcher Hand das Kind bevorzugt zugreift. Stifte bieten sich hierfür an, da man auch ausprobieren kann, ob das Kind den Stift vor Gebrauch instinktiv in die andere Hand wechselt, wenn man ihn dem Kind gezielt in die Hand drückt, die man für die nicht-dominante hält.

Der Hand-Dominanz-Test sollte von Fachleuten durchgeführt und analysiert werden. Man führt ihn bei Kindern ab 6 Jahren durch: Das Kind soll dabei zunächst mit einem Stift Spuren nachzeichnen, anschließend einen Kreis entlang der Linie punktieren und zum Abschluss auch noch einmal ein Quadrat entlang des Umfangs punktieren. Für jede Teilaufgabe hat das Kind 30 Sekunden Zeit. Bei der Auswertung kommt es dann darauf an, wie weit das Kind in der vorgegebenen Zeit gekommen ist.

Ähnlich verläuft der Punktiertest, der mit Kindern zwischen 5 und 12 Jahren durchgeführt wird, wobei er bei älteren Kindern als aussagekräftiger gilt. Anstatt eine Zeit vorzugeben, wird gemessen, in welcher Zeit und mit wie vielen Fehlern das Kind die Zeichnung eines Clowns entlang der Linie mit 150 vorgegebenen Kreisen punktiert. Beide Hände werden hierbei einzeln getestet, das Ergebnis wird dann anhand einer Normtabelle verglichen.

Beim Handpräferenztest soll das Kind 14 verschiedene alltägliche und vertraute Tätigkeiten ausführen und wird dabei vom Fachpersonal beobachtet. Um sicherzugehen, dass das Kind die Aufgaben stets nach dem gleichen Ablauf löst, sollte der Test zweimal wiederholt bzw. dreimal durchgeführt werden. Anhand vorgegebener Auswertungskriterien kann so ein recht genaues Bild von der Handpräferenz erstellt werden.


2. Sind Links und Rechtshänder anders?

Gerne schreibt man Linkshändern besondere Intelligenz, Kreativität oder schlicht Erfolg zu und führt dann berühmte Linkshänder wie Douglas Adams (1952 – 2001), Steve Jobs (1955 – 2011), Nicola Tesla (1856 – 1943), Leonardo da Vinci (1452- 1519), Albert Einstein (1879 – 1955), Mohandas Gandhi (1869 – 1948), Gaius Ilulius Caesar (100 – 44 v. Chr.) und die US-Präsidenten Gerald Ford (1913 – 2006), Ronald Reagan (1911–2004), George H. W. Bush (1924 – 2018), Bill Clinton (* 1946) und Barack Obama (* 1961) an.

Zunächst einmal kann man die Händigkeit bei Personen wie Da Vinci oder Caesar heute gar nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Dann gibt es auch unzählige große Denker, Künstler und Politiker, die Rechtshänder waren. Man sollte also nicht Korrelation und Kausalität verwechseln. Immerhin sind bzw. waren auch alle benannten Personen männlich. Der Zusammenhang ist aber nicht, dass sie so befähigt sind/waren, weil sie männlich sind. Nein, Männer waren in der Geschichte schlicht viel stärker begünstigt als Frauen und wurden daher eher berühmt.

Man sollte sich mit der Zuschreibung irgendwelcher Merkmale und Fähigkeiten jenseits der Händigkeit selbst bedeckt halten. Denn es stimmt zwar, dass Linkshänder die rechte Gehirnhälfte stärker beanspruchen, doch die lange verbreitete Theorie, dass die Gehirnareale für etwa Kreativität vor allem in einer, in diesem Fall der rechten Gehirnhälfte liegen würden, gilt längst als widerlegt, wird aber munter weiterverbreitet.

Vor- und Nachteile für Linkshänder ergeben sich aus dem Minderheitenstatus selbst. Nachteil ist, dass Werkzeuge, Hilfsmittel und sonstige Alltagsgegenstände auf Rechtshänder ausgelegt sind, was wiederum den Vorteil der besseren Schulung des Gehirns bei Problemlösungsstrategien zur Folge hat. Bei Sportarten, die quasi im Duell stattfinden, kann es als Spitzensportler auch von Vorteil sein, Linkshänder zu sein, weil die meisten Gegner selbst Rechtshänder sind und auch Rechtshänder als Gegenüber gewohnt sind. Der Linkshänder kann den Gegner folglich mit ungewohnten Bewegungsmustern in die Irre leiten.


3. Warum gibt es Links- und Rechtshänder?

Machen wir es kurz: Niemand weiß das. Man weiß zwar, dass bei Rechtshändern die linke und bei Linkshändern die rechte Gehirnhälfte dominant ist, aber da hört es auch schon auf. Anders gesagt: Warum nun eine Gehirnhälfte die dominante ist, konnte bislang nicht abschließend geklärt werden. Der Fachbegriff für das Vorherrschen einer Gehirnhälfte nennt man Lateralisation.

Da Händigkeit angeboren ist, läge eine genetische Komponente nahe. Dem widerspricht jedoch, dass selbst bei eineiigen Zwillingen, die genetisch im Grunde identisch sind, wenn überhaupt nur einer von beiden Linkshänder ist.

Mittlerweile geht man daher davon aus, dass es Hormone im Mutterleib und andere Schwangerschaft und Geburt begleitende Faktoren sind, die die Händigkeit bestimmen. Laut dem Geschwind-Behan-Galaburda-Modell sollen Sexualhormone die Auslöser sein, andere Kandidaten sind Stress oder gar fast schon als zufällig zu bezeichnende Konstellationen auf molekularer Ebene. Denn schon im Mutterleib lässt sich zwischen der achten und 13. Schwangerschaftswoche eine Handpräferenz erkennen.

Dies widerspräche auch Theorien, wonach Geburtszeitpunkt oder Geburtsgewicht eine Rolle spielen. Eine gemeinsame Ursache von Händigkeit, Geburtszeitpunkt und Geburtsgewicht wäre aber denkbar.

Die letztendliche Ausbildung einer präferierten Hand muss aber nicht angeboren sein. Unbewusste Imitation und Anpassung, aber auch ganz bewusste, mitunter aufgezwungene Umschulung können die Händigkeit von außen abändern, was jedoch zu schwerwiegenden neuronalen und psychologischen Schäden führen kann.


4. Schreibenlernen und den Schuleinstieg erleichtern

Das Schreibenlernen stellt Linkshänder erstmals vor eine große, vielleicht sogar überhaupt die größte Herausforderung. Das fängt schon beim Kauf der Schreibutensilien an und endet bei der richtigen Sitzposition.

Linkshänder brauchen für sie ausgelegte Stifte und Hefte bzw. Blöcke. Während ein Bleistift im Regelfall rund und daher für Links- und Rechtshänder gleich gut zu gebrauchen ist, sind gerade Füller, mit denen Kinder während der Schulzeit mehrheitlich schreiben, zum einen meist ergonomisch geformt und besitzen zum anderen eine Feder, die auf die Position des Stifts zum Papier abgestimmt ist. Rechtshänder brauchen für müheloses Schreiben eine kugelförmige Federspitze, Linkshänder eine flache, angeschrägte Spitze.

Der Füller macht die ohnehin schon zum Nachteil gereichende Schreibrichtung, also von links nach rechts, zusätzlich problematisch. Linkshänder haben ohnehin das Problem, dass sie die Buchstaben nicht ziehen, sondern schieben und das Geschriebene beim Weiterschreiben mit der Hand verdecken. Sie sehen also nicht, was sie geschrieben haben. Die Tinte des Füllers droht zudem zu verwischen, wenn die Hand beim Schreiben darüber geführt wird.

Um zu sehen, was sie gerade geschrieben haben, nehmen viele Linkshänder eine Armhaltung ein, bei der sie quasi um das Geschriebene herumgreifen bzw. den Stift von oben statt von unten führen. Das führt oftmals zu Verspannungen. Besser ist eine aufrechte Sitzhaltung.

Aber auch Lehrer und Mitschüler können dem Linkshänder das Ganze mit etwas Rücksichtnahme erleichtern, indem sie ihm Armfreiheit einräumen. Anders gesagt: Es ist ratsam, dass der Linkshänder auch links außen sitzt, weil er und sein vermutlich rechtshändiger Sitznachbar sich sonst in die Quere kommen.

Vom früher in Deutschland praktizierten Umerziehen, was in manchen Teilen der Welt auch heute noch nicht unüblich ist, ist strikt abzuraten. Es schädigt die natürliche neuronale Entwicklung des Kindes und kann schwerwiegende neurologische und psychiatrische Schäden zur Folge haben.


5. Umerziehung ist keine gute Idee

Die Schäden, die die Umerziehung zur Folge hat, sollte man nicht unterschätzen. Zunächst einmal wäre da die ganz profane und offensichtliche Schädigung der natürlichen Selbstentfaltung, wenn ein Mensch gezwungen wird, etwas zu tun, was seinem Naturell zuwider ist.

Das Kind hat das Gefühl, Erwartungen nicht zu erfüllen, was das Selbstwertgefühl schädigt. Gerade so drastische Maßnahmen wie das früher einmal praktizierte Festbinden der linken Hand können regelrecht traumatisch wirken.

Da die ungeschicktere Hand erzwungenermaßen statt der geschickteren verwendet werden soll, entwickelt sich die Feinmotorik nicht richtig. Die nicht dominante Hand kann nie die Präzision der natürlicherweise dominanten Hand erreichen, welche sich ihrerseits nicht wirklich entfalten kann.

Die Umschulung hat auch zur Folge, dass der Verbindungsbalken zwischen den beiden Gehirnhälften zur Steuerung eigentlich unbewusster Prozesse stärker beansprucht wird. Das führt zu Konzentrationsstörungen, Lernschwierigkeiten und ganz allgemeinen geistiger Überbeanspruchung. Die wiederum kann nervöse Kompensationshandlungen wie Nägelkauen, aber auch schwerwiegende psychische Beschwerden wie Ticks und Schlafstörungen oder gar psychosomatischen Störungen zur Folge haben.

Auch der Spracherwerb kann, wie Studien zeigen, betroffen sein. So zeigen umgeschulte Linkshänder vermehrt unterbrochenen Sprachfluss, Wortfindungsstörungen, Stottern und Ähnliches. Auch das kann wiederum psychische Folgeschäden hervorrufen.


6. Alltagsprodukte für Linkshänder

Abseits der Schreibgeräte gibt es viele Utensilien, die so für Rechtshänder ausgelegt sind, dass Linkshänder sie gar nicht oder nur erschwert nutzen können. Werkzeuge etwa können unter Umständen nur mit rechts sicher geführt werden. Bei Scheren verdeckt die obere Schneide die Schnittkante. Einseitig geschliffene Messer bergen dasselbe Problem.

Bei anderen Küchengeräten, zumindest denen, die eine gewisse Feinmotorik erfordern, kann es zu Problemen kommen. Man denke etwa an Brotschneidemaschinen. Sieht man da nicht, wo man schneidet, geht es zwar nicht ins Auge, aber in den Finger. Minibacköfen, Mikrowellen und Co haben die Bedienfelder meist rechts. Das ist zwar mehr eine Unwägbarkeit als eine wirkliche Einschränkung, aber angenehm in der Bedienung ist es nicht.

Auch die Ausstattung für den Computer will angepasst sein. Der Tisch muss die Mausablage links haben, die Tastatur sollte die Blöcke seitenverkehrt angelegt haben und die Maus muss ebenfalls spiegelverkehrt sein – besonders, wenn es eine ergonomische Computermaus ist. Von Joysticks oder Game-Controllern sprechen wir lieber gar nicht erst.

Sportgeräte wie Bögen und viele Musikinstrumente gibt es auch in Ausführungen für Linkshänder. Zumindest bei den Instrumenten sind die Experten aber uneins, ob das Gebrauch von Linkshändermodellen wirklich ratsam ist. Das Erlenen mit Rechts, hält einem das Nutzen vieler Vorlagen offen. Zumal man bei vielen Instrumenten eh‘ mit beiden Händen gleichermaßen geschult sein muss, um sie wirklich zu beherrschen.


7. Fazit

Dass ein Kind Linkshänder ist, ist kein Grund zu verzweifeln. Ja, Linkshänder haben es etwas schwerer. Erkennt man es aber früh, wozu die entsprechenden Tests im Kleinkindalter dienen, kann man den Nachteil mit der richtigen Förderung und dem rechten „Handwerkszeug“ gut ausgleichen.

Wenn man dem Kind die richtige Unterstützung zukommen lässt, besteht kein Grund zur Sorge. Richtige Unterstützung heißt vor allem: Hilfestellungen und Ratschläge geben, aber keinesfalls die freie Selbstentfaltung des Kindes steuern oder behindern. Vor allem sollte man unter keinen Umständen versuchen, einen Linkshänder zum Rechtshänder umzuerziehen, weil das schwerwiegende Folgen nach sich ziehen kann.

In der Schule sollte man die Lehrer einweihen und mit ins Boot holen, damit auch sie gezielt Hilfestellung geben und sicherstellen können, dass der kleine Linkshänder am linken Rand sitzt.



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